Montag, 29. September 2014

Zur derzeitigen Krise im BMVg

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Das derzeitige Skandälchen um die Einsatzbereitschaft von Fahrzeugen der Bundeswehr behandelt meines Wissens nach nur bereits länger bekannte und existente Probleme. Viele kleine Peinlichkeiten bekommen dabei keine Aufmerksamkeit.
 
Das Letztere ist bedauernswert, denn diese kleineren Peinlichkeiten legen offen, dass das Problem nicht die Höhe des Haushaltes an sich ist. Ein sehr gut dokumentiertes Beispiel war die Mörserkrise der 90er Jahre, welche mit wenig Geld und mit einem simplen Kaufvorgang hätte gelöst werden können - aber annähernd ein Jahrzehnt dauerte.
 
BMVg/Bundeswehr haben auch einige klar verschwenderische Großprojekte wie den 3. Einsatzgruppenversorger (= großteils eine Werftsubvention), die nutzlosen Korvetten und die F125er - koloniale Patroullienkreuzer ohne Kolonien. Die entsprechenden Budgets hätten  genügt, um weitverbreitete Mängel dutzendweise abzustellen.
 
Einige Mängel der Einsatzbereitschaft - insbesondere bei Hubschraubern - sind die Konsequenz von Kinderkrankheiten und Entwicklungsverzögerungen bei Entwicklungsprojekten, die anstelle simpler Lizenzproduktionen durchgeführt wurden. Der Bedarf an modernen Hubschraubern hätte schon Ende der 1980er mit etablierten Mustern für weit weniger Geld gedeckt werden können.
 
Ich persönlich bin vollständig "unbeeindruckt" von der derzeitigen Führung des BMVg, aber die Mängelliste aus diesem Skandal kann schwerlich nur oder hauptsächlich ihr zur Last gelegt werden. Das Muster reicht Jahrzehnte weit zurück.
 
Das BMVg und der damalige Minister haben bereits die Aufstellung der Bundeswehr in den späten 50ern und frühen 60ern verbockt. Es wurden völlig falsche Plattformen (HS30, F-104G) angeschafft und gleichzeitig eine erstaunliche Inkompetenz bei der Beschaffung und Verteilung von Ersatzteilen und Munition demonstriert. Es mag harsch klingen, doch der Leopard 2 ist vielleicht das einzige wirklich erfolgreiche Großprojekt des BMVg (die Typ 206 Uboote folgten einer Reihe fürchterlicher Pleiten).
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Das BMVg verdient Ärger für sein Versagen in Serie, doch das derzeitige Zuschieben des schwarzen Peters ist blanker Opportunismus. Ebenso opportunistisch ist das Bauernopfer des Leiters des Beschaffungswesens.
Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung hätte schon vor langer Zeit gedemütigt, aufgelöst und abgerissen werden sollen als Warnung für andere versagende Bürokratien. Alles nichttechnische Personal sollte dabei auf eine schwarze Liste gesetzt werden und nie wieder für irgendeine Beschaffung des Bundes zu tun haben dürfen. Doch dies hätte schon vor langer Zeit geschehen sollen - nicht erst auf Druck der Presse
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Und schließlich gibt es noch einen äußerst  ärgerlichen Aspekt des Skandälchens: Die üblichen Verdächtigen nutzen die Gelegenheit für den Ruf nach einem größeren Budget für die Bundeswehr (Einzelplan 14). Sie implizieren dabei, dass mehr Geld zu verschwenden irgendwie die Situation verbessern würde. Doch einer verschwenderischen Bürokratie ein größeres Budget zu geben verleitet sie nur dazu, weitere Unzulänglichkeiten zu provozieren und dann lauthals nach noch mehr Geld zu rufen.
 
Ein diese Tage häufig zu lesender Vorwurf ist auch, dass irgendwie irgendwelche NATO Anforderungen nicht erfüllt würden, oder dass Zusagen an die NATO nicht eingehalten würden.
 
Die beste Antwort hierauf lautet "Na und? Wen interessiert's?"
 
Wir müssen eines Minister's Verordnung befolgen. Wichtiger ist jedoch eine noch speziellere relevante ministeriale Verordnung. Doch beide beziehen ihre Macht ausschließlich aus einem Gesetz (von der Legislative verabschiedet), das den Minister überhaupt erst zur Schaffung oder Änderung einer Verordnung authorisiert. Gesetze sind also höherrangiger als Verordnungen. Speziellere Gesetze übersteuern dabei die Allgemeineren. Verfassungsparagraphen stehen noch über allen Gesetzen, und authorisieren oftmals überhaupt erst Ausnahmen von sich selbst in Gesetzen ('Alles Nähere regelt ein Bundesgesetz.'). Die spezielleren Verfassungsparagraphen übersteuern dabei die Allgemeineren.
 
Nun, wo steht eines Minister's Zusage oder eine Anforderung durch die NATO in dieser Rangliste?
Nirgends. Ein Zeitungsausträger könnte Unsinn reden, und es wäre ebenso gewichtig.
 
Nun möge man sich erinnern; in allen Demokratien hat die Legislative (der Gesetzgeber, hier; der Bundestag) das Budgetrecht. Sogar ein Gesetz zu Zusagen über Militärausgaben würde also vom nächsten Haushaltsplan übersteuert, wenn dieser präzisiert in Einzeltitel den nächsten Einzelplan 14 vorgibt. Also nochmal; es gibt absolut keinen Grund, Anforderungen der NATO oder auch Willensbekundungen unserer Minister irgendetwas zu geben; sie sind belanglos angesichts der faktischen Macht des Haushaltsplanes. Ob der Minister der NATO Bürokratie  bestimmte Zusagen für kommende Haushalte macht oder ob ich diese mache ist rechtlich exakt gleich nicht bindend.
 
So läuft das mit dem Rechtsstaat und der Gewaltentrennung. Minister haben sich an Gesetze zu halten und ihre Macht reicht bei weitem nicht bis in die Kompetenzen des Parlaments hinein.
 
Die 'mehr Militärausgaben!' Fraktion tut natürlich so, als wären irgendwelche belanglose Zusagen äußerst gewichtig und unbedingt einzuhalten, da ihnen dies in die Karten spielt. Und natürlich machen Minister gerne Zusagen, die sie dann dem Gesetzgeber (bzw. dem den Haushaltsplan entwerfenden Finanzministerium) vorhalten können. Schließlich wollen sie mehr Budget für sich herausholen - für eigenes Prestige und Spielereien. Doch wieder und wieder interessiert sich der Gesetzgeber nicht für dieses Gehabe und gibt wiederum nur einen gemäßigten Einzelplan 14 vor.
 
Die tatsächlichen Verpflichtungen aus dem Nordatlantikvertrag sind eine andere Geschichte; sie haben die Kraft eines Gesetzes, da der Vertrag ratifiziert wurde. Doch dieser Vertrag sagt überhaupt nichts darüber aus, wieviele einsatzbereite Bordhubschrauber die Bundeswehr haben muss, oder Ähnliches. Ich weiß es, denn ich habe den Vertrag mehrfach gelesen. Die meisten Leute wären erstaunt, was für Verpflichtungen dieser Vertrag tatsächlich enthält, und welche alle nicht.
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Wie üblich halte ich wenig davon, wie in der Presse Bundeswehr und BMVg behandelt bzw. kritisiert werden. Dieses Skandälchen war vorhersehbar, brachte kaum Neues zu Tage, wird von den üblichen Verdächtigen ausgenutzt und wird ohne Zweifel nicht lange in den Schlagzeilen bleiben.
 
Vielleicht sind bloß einige Journalisten auf dem Trip in den Irak eingeschnappt gewesen und zahlen es jetzt zurück. Man kann den Presserummel auch als Gegenschlag gegen die vergleichsweise aggressive und militarisierte neue Außenpolitik werten; immerhin liefern wir Waffen direkt an die im Krieg befindlichen Peschmerga und bilden ihre Kämpfer auch direkt aus. Es gab zudem vor einigen Wochen eine konzertierte Aktion, um eine neue 'Debatte' zur Sicherheitspolitik anzustoßen, offensichtlich mit der Absicht, uns in Zukunft in mehr Konflikte hineinziehen zu können. Auch das mag einen journalistisch-politischen Gegenschlag provoziert haben.
 
Erhebliche und nachhaltige Verbesserungen der Misswirtschaft werden wohl kaum eine Folge dieses Presserummels sein.
S O
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