Dienstag, 21. April 2015

Deutsche NATO-Mitgliedschaft - Quo vadis?


(Hintergrundtexte in Englisch, für das Verständnis notwendig:)
2008-09 Overly aggressive allies
2009-05 The utility of the NATO
2010-03 Germany's Alliances (II)
2014-02 How NATO changed the perception of what an alliance is and does


Nach Jahren des Bloggens auf "Defence and Freedom"
steht eigentlich immer noch ein Riesenthema im Raum: 
 
Warum eine deutsche NATO-Mitgliedschaft?


Wenn man erst einmal die Macht der Gewohnheit überwindet, ist die Frage der NATO-Mitgliedschaft vorwiegend noch eine Frage von Ethik und nationalem Eigennutz. Es kann aber noch mehr hineinspielen, dazu später mehr.

Doch einen Faktor möchte ich jedoch direkt ausschließen, denn er ist eine reine Einbildung: Deutschland schuldet keine fortgesetzte Mitgliedschaft in der NATO. Erstens ist ein solcher 'Guthaben' Gedanke reine Sentimentalität und zweitens hat Westdeutschland den Westen mitgeschützt, und zwar mit 12 von 26 an der Hauptgrenze der Machtblöcke in Mitteleuropa stehenden Divisionen. Zudem hat Deutschland als Ganzes seinen Kopf hingehalten, denn es wäre das am Meisten verwüstete Schlachtfeld geworden in einem Kriege. Etwa ein Fünftel der Deutschen von 1990 waren während des Kalten Krieges überhaupt nicht in der NATO und alle Deutschen bis zum Alter von 25 Jahren sowie seit 1990 eingebürgerte Migranten können ebensowenig Dnak schuldig sein. Es ist also ethisch völlig korrekt, im Jetzt und ohne Altlasten abzuwägen.


Eine "Pro NATO Mitgliedschaft" Liste könnte wie folgt aussehen:

+ bessere Abschreckung von Aggressionen gegen NATO Mitglieder in Osteuropa

+ viele Übungsmöglichkeiten für die Bundeswehr im Ausland bzw. auf See

+ viel Personalaustausch und Wissensweitergabe durch NATO Mitglieder an die Bundeswehr

+ Vorteile der NATO Bürokratie

+ u.U. besseren Zugang zu U.S.-Wehrtechnologie

+ Deutsche Politiker können sich in Militärspielereien im Klub NATO (Interventionen) befriedigen

+ Ein Austritt würde die Beziehungen vorwiegend mit den USA und der Türkei schädigen

+ Nach Austritt möglicherweise (noch) aggressivere Geheimdienstaktivitäten der USA gegen Deutschland

+ Nach Austritt geringfügig schlechtere Waffenexportmöglichkeiten

+ Nach Austritt könnte die NATO und somit das Bindeglied zwischen Europa und Nordamerika zunehmend verfallen. Europa und Nordamerika könnten zueinander zunehmend weniger kooperativ und mehr konfrontativ werden.


Eine "Kontra NATO Mitgliedschaft" Liste könnte wie folgt aussehen:



+ Angesichts der Eigenschaft der EU als Bündnis und der militärischen Stärke der EU Mitglieder selbst im Vergleich zu kombinierten russischen, weißrussischen und allen diversen arabischen Militärs wäre eine NATO Mitgliedschaft für die äußere Sicherheit Deutschlands nicht einmal notwendig, wenn Deutschland an Russland grenzen würde.

+ keine Nachteile der NATO Bürokratie (Kosten/Personalbedarf, Bürokratiekultur) mehr

+ keine Wiederholung der Situation von 1914 und 2003 als aggressive Verbündete einen Angriffskrieg begannen und die deutsche Regierung sich jeweils nicht dagegenstellte

+ keine NATO Inspektions-Farcen ("OPEVAL") mit "kleinster gemeinsamer Nenner" Anspruchsniveau mehr, sondern möglicherweise sinnvollere rein nationale Prüfungen der Bundeswehr-Einsatzfähigkeit

+ keine Involvierung in NATO-Militärinterventionen mehr*

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Linke Oppositionelle sind die einzigen Politiker, die einen Austritt aus der NATO zum Gesprächsthema (oder Slogan) machen, allerdings ist zu bedenken, dass sie diese Haltung bei einer Regierungsbeteiligung sofort ablegen.

Viele Vorteile einer Loslösung von der NATO (durch Austritt oder einen Rückzug aus NATO-Institutionen und -Befehlsgewalt à la Frankreich) wären von kompetenten und tatkräftigen nationalen Verteidigungspolitikern abhängig. Dergleichen gibt es keine in den entscheidenden Ämtern, so dass die entsprechenden Kontra Punkte vorerst wenig Gewicht haben.


Wie bereits angedeutet gibt es mehrere Optionen, die sich zum Beispiel wie folgt auflisten lassen:

(1) Weiterhin NATO Mitgliedschaft, einschließlich militärischer Abenteuer

(2) Weiterhin NATO Mitgliedschaft, ohne militärische Abenteuer

(3) Weiterhin NATO Mitgliedschaft, ohne NATO-Oberbefehl über die Bundeswehr und ohne Atomwaffenteilhabe

(4) Wie Option 3, zusätzlich keine Duldung von Nicht-EU Truppen in der Bundesrepublik

(5) Weitere NATO Mitgliedschaft, aber Austrittsdrohung bzw. Austritt, sobald wieder ein NATO-Mitglied einen Angriffskrieg vorbereitet bzw. anfängt

(6) NATO-Austritt, weiterhin verbündet in der EU

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Ich persönlich würde Optionen 2, 3, 4 und 5 gutheißen. Für Option 6 besteht keine Veranlassung.
Besonders interessant ist Punkt (5), der nicht zuletzt im Hinblick auf die Geographie der Bundesregierung einen mächtigen Hebel für den Frieden geben würde.

S O


*: Das könnte man auch als Mitglied haben, aber wer traut denn schon den Politikern? Und das Bundesverfassungsgericht hat das Grundgesetz diesbezüglich bereits maximal kreativ umgedeutet.

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