Sonntag, 16. Juli 2017

Auswertung der Bundestagswahlprogramme zu den Themen Verteidigung und Freiheit


Die Wahlprogramme der wesentlichen Parteien zur Bundestagswahl 2017 wurden veröffentlicht. In alphabetischer Reihenfolge sind dies:

AfD
https://www.afd.de/wp-content/uploads/sites/111/2017/06/2017-06-01_AfD-Bundestagswahlprogramm_Onlinefassung.pdf

Bündnis 90 / Die Grünen
https://www.gruene.de/ueber-uns/2017/gruenes-wahlprogramm-zur-bundestagswahl-2017-zukunft-wird-aus-mut-gemacht.html?pk_campaign=programm-hh-programm17

CDU/CSU
https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/170703regierungsprogramm2017.pdf?file=1

Die Linke
https://www.die-linke.de/fileadmin/download/wahlen2017/wahlprogramm2017/wahlprogramm2017.pdf

FDP
https://fdp.de/wahlprogramm

SPD
https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Bundesparteitag_2017/Es_ist_Zeit_fuer_mehr_Gerechtigkeit-Unser_Regierungsprogramm.pdf


Meine Auswertung zum Thema "Verteidigung"
(Sorry, aber der Aufwand für eine Auswertung bezüglich des Themas "Freiheit" ist zu groß.)

AfD
  • Bekenntnis zu Charta der Vereinten Nationen und Völkerrecht
  • Forderung nach einer ganzheitlichen nationalen Sicherheitsstrategie (Erläuterungen dazu lassen erkennen, dass dies vor allem ein Verständnis von Sicherheitspolitik beschreibt, dass vom Flüchtlingsthema bis zum 3. Weltkrieg reicht)
  • Befürwortung von Krisenprävention und friedlicher Konfliktlösung
  • UN reformieren, um "veränderten Gewichtungen der WeltRechnung" zu tragen
  • ständiger Sitz im UN Sicherheitsrat angestrebt
  • forderrt strikte Beachtung eines Nichteinmischungsgrundsatzes bezüglich innere Angelegenheiten von Staaten
  • Rolle der OSZE ausbauen
  • internationale islamistische Terrorismus muss als ernste Gefahr bekämpft werden
  • europäischen Einfluss in NATO stärken
  • "Die Schaffung einer EU-Armee oder den Einsatz deutscher Streitkräfte für fremde Interessen lehnt die AfD ab."
  • pro Entspannung mit Russland, pro Ende der Sanktionspolitik
  • Türkei wird als weg vom Westen driftend und nicht zu Europa gehörend betrachtet, und soll aus der NATO raus
  • "Die AfD fordert die Rückkehr der Streitkräfte zur Einsatz - bereitschaft. Deren Aufgaben ergeben sich aus dem Grund - gesetz und der Bedrohungslage. Derzeit genügt die Bundes - wehr diesem Anspruch weder strukturell und personell noch  materiell."
  • "Die deutschen Streitkräfte sind so zu reformieren, dass  deren Einsatzbereitschaft auch bei Einsätzen mit höchster  Intensität gewährleistet ist." 
  • "Die AfD fordert die Wiedereinsetzung der Wehrpflicht."
  • Betrachtung von sicherheitspolitichen Erwägungen ebim Thema Entwicklungshilfe
Kommentar:
Einerseits vermute ich da drin viel kodierte Sprache, andererseits ist auch erkennbar, dass die AfD sich Mühe gegeben hat, bei Sicherheitspolitikthema nciht als 'spinnert' oder rechtsradikal zu gelten.
Einen Aussetzer davon sehe ich beim Thema 'Türken raus aus der NATO' und persönlich lehne ich auch die Wiedereinführung des Grundwehrdienstes ab.

Bündnis 90 / Die Grünen

Erläuterung: Die Zusammenfassung bei den Grünen ist anders weil ich ursprünglich eine englischsprachige Version anfing und mir zuerst das grüne Programm vornahm. Beim Wechsel auf eine deutsche Version wurden Zitate praktischer und ich habe die Punkte bei den Grünen nur rückübersetzt.
  • EU als treibende Kraft hinter dem Frieden in Europa
  • Betonung von internationaler Kooperation
  • Besondere Aufmerksamkeit auf den Krieg in Syrien
  • Verurteilung von Putin's Krieg in der Ukraine und der Krimbesetzung
  • wollen die Rolle der UN gestärkt sehen
  • weisen das 2% GDP Ziel für Militärausgaben und jede Steigerung derselben zurück
  • Europäisierung von Außenpolitik, Friedenspolitik und Sicherheitspolitik
  • zivile Anstrengungen im Vordergrund, besonders in der Krisenpräventation
  • für Rüstungskontrolle / für weniger Waffen
  • gegen Waffenexporte in Krisenregionen
  • für eine Welt ohne Atomwaffen
  • für eine Konvention gegen autonome Waffensysteme / Killerdrohnen
  • gegen (potentiell) bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr
  • pro Völkerrecht
  • Einsatz militärischer Mittel mag in extremen Fällen gerechtfertigt sein
  • UN Vollversammlung sollte befähigt werden, festzustellen dass der UN Sicherheitsrat handlungsunfähig ist und dann an seiner Stelle handeln können
  • Bundeswehr sollte mehr Blauhelm- und europafähig werden
  • Langfristvision: Truppen unter direktem UN Kommando
  • Außenminister statt Wirtschaftsminister sollte über Waffenexportgenehmigungen urteilen
Kommentar:
Das Programm ist weniger pazifistisch als früher (als sie die "Militarisierung der Außenpolitik" ankeiften, dann aber bei erster Machtteilhabe binnen Wochen in den Kosovokrieg mitzogen!).
Einige Selbstverständlichkeiten werden in Abgrenzung zu Fundis festgestellt.
Die Vorschläge zru Rüstungsexportkontrolle durch den Außenminister und zur Umgehung des UN Sicherheitsrates wenn dieser durch Vetos blockiert ist finde ich interessant.
Den Glauben an Blauhelmmissionen teile ich nur sehr bedingt.

CDU/CSU
  • EU als "Friedensprojekt"
  • "Wir unterstützen den Vorschlag für eine Europäische Verteidigungsunion und für einen Europäischen Verteidigungsfonds."
  • "Wir sind überzeugte Mitglieder der NATO und arbeiten für  ihren Erfolg. Aber  die EU muss sich selbstständig wappnen, wenn sie dauerhaft bestehen will."
  • Auch hier eine Vermischung von Flüchtlingsthema/Grenzschutz und Sicherheitspolitik
  • "Unser internationales Handeln und unser Engagement erfolgen eingebunden in Bündnisse und internationale Organisationen, allen voran NATO und EU sowie im Rahmen der Vereinten Nationen und der OSZE und in enger Absprache mit unseren Verbündeten und Partnern."
  • hoffen immernoch auf Erfolg des Abkommens von Minsk (Ukraine-Konflikt)
  • "Damit die Bundeswehr diesen Aufgaben gewachsen ist und die Soldatinnen und Soldaten die Ausrüstung und die Arbeitsbedingungen erhalten, die sie brauchen, haben wir auf Grundlage des neuen Weißbuches der Bundesregierung von 2016 eine Trendwende eingeleitet. Nach 25 Jahren der Schrumpfung wächst die Bundeswehr wieder. Sie erhält jetzt mehr Personal, mehr modernes Material, eine ausreichende Finanzausstattung."
  • "Angesichts der Sicherheitslage ist neben dem internationalen Engagement eine Refokussierung auf Bündnis- und Landesverteidigung erforderlich."  
  • "Um den außen- und sicherheitspolitischen Herausforderungen von heute gewachsen zu sein, müssen die Instrumente der Diplomatie, der Polizei, der Sicherheits- und Verteidigungspolitik  sowie der Entwicklungszusammenarbeit innerhalb eines vernetzten Ansatzes besser miteinander abgestimmt und koordiniert werden."

Kommentar:
Zunächst als Info vorab: Das CDU Wahlprogramm wurde von einem derart kleinen Kreis derart hinter verschlossenen Türen ausbaldowert, dass selbst diverse Spitzenpolitiker weniger als einen Tag Zeit hatten, Änderungswünsche vorzubringen. Alles Weitere war Formalie. Dieses Parteiprogramm ist damit vermutlich verfassungswidrig.
Als konservative Partei und Partei der Bundeskanzlerin passt es gut, dass dieses "Regierungsprogramm" zum Thema nicht viel mehr als ein 'weiter so' hergibt; was an Änderungen gegenüber 2012 etc. vorhanden ist sind Wenden, die bereits von der Regierung vorgenommen wurden.

Die Linke
  • "Wir haben als einzige Partei und Fraktion im Deutschen  Bundestag den Auslandseinsätzen der Bundeswehr nicht zugestimmt und werden es auch in Zukunft  nicht tun. Wir kämpfen für konsequente Abrüstung un d wollen den Export und die Produktion von  Waffen und Rüstungsgütern verbieten. Die Umbrüche in der Weltordnung, die Militarisierung von  weltweiten Konflikten, die Aufrüstungspolitik der EU und ihrer Mitgliedsstaaten  machen diese  Forderungen dringlicher denn je."
  • "Waffenexporte, Freihandel und Direktinvestitionen,  Konkurrenz um knappere Ressourcen und Folgen der Klimakatastrophe führen zu Aufständen,  kriegerischen Auseinandersetzungen und Fluchtbewegu ngen über die Kontinente."
  • "Die  Kriege in Afghanistan und dem Irak haben zur Destabilisierung der Regionen geführt und das Entstehen des »Islamischen Staates – Daesh«  begünstigt. Dieser angebliche »Krieg gegen den Terror« ist gescheitert."
  • Um Krieg und Gewalt zu beenden und allen Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen, müssen globale friedliche und kooperat ive Lösungen gefunden werden. Das geht nur,  wenn Konflikte friedlich gelöst werden, wenn konsequent abgerüstet und die Weltwirtschafts-ordnung  gerecht organisiert wird – und mit internationaler  Solidarität."
  • "Wir brauchen eine aktive Friedenspolitik! Die Vorherrschaft des Militärischen muss beendet werden."
  • "Die Bundesregierung verfolgt eine gefährliche Politik der Militarisierung der deutschen und europäischen Außenpolitik."
  • "Die Bundeswehr muss  aus allen Auslandseinsätzen zurückgezogen  werden und darf nicht in neue  Auslandseinsätze entsandt werden."
  • "Die Mittel, die heute für militärische Intervention en ausgegeben werden, sollen umgewidmet werden für zivile Aufbau- und Friedenssicherungsprogramme  und die Entwicklungszusammenarbeit:"
  • "Wir lehnen es ab, dass deutsche Soldatinnen und Soldaten andere Armeen ausbilden, die dann  ihrerseits direkt oder indirekt an Kriegshandlungen  beteiligt sind."
  • "DIE LINKE lehnt eine weitere Erhöhung des Rüstungsetats ab. "
  • "Eine Vermischung von zivilen und militärischen Maßnahmen lehnen wir ab. Mit »zivil-militärischer  Kooperation« und »vernetzter Sicherheit« wird die Militarisierung der Außenpolitik verschleiert."
  • "Als ersten Schritt wollen wir alle Exporte von Kleinwaffen und Waffenfabriken verbieten."
  • "Unser Ziel ist, dass Rüstungsexporte verboten werden und die gesamte Rüstungsproduktion in der  Bundesrepublik Deutschland eingestellt wird."
  • "Die letzten noch in Deutschland stationierten US-Atomwaffen müssen sofort abgezogen und  vernichtet werden."
  • "DIE LINKE tritt auch in der nächsten Legislaturperiode für eine vertragliche Ächtung von Atomwaffen weltweit ein."
  • "Alle ausländischen Militärbasen in Deutschland müss en geschlossen werden."
  • "Ein geeintes soziales Europa kann nur als ein Projekt des Friedens eine wirkliche, demokratische Zukunft haben (...). Die NATO dehnt ihren Einflussbereich bis an die Westgrenze Russlands aus. Der Beitritt weiterer Länder zur NATO wie Georgien, der Ukraine  oder Mazedonien würde die Spannungen mit Russland w eiter anheizen."
  • "DIE LINKE tritt für die Stärkung der OSZE als wichtigem Format der gesamteuropäischen Kooperation  ein."
  • "Als ersten Schritt wollen wir eine konventionelle Rüstungskontrolle in Europa nach dem Vorbild des AKSE-Vertrags"
  • "Wir lehnen neue NATO-Kriegsbeteiligungen wie in Syrien und im Irak ab. Die deutsche Beteiligung an NATO-Kriegen wie in Afghanistan muss eingestellt werden."
  • "DIE LINKE setzt sich für eine schrittweise Abrüstung der Bundeswehr.[sic]" 
Kommentar:
Das ist das klassische antimilitärische Forderungsportfolio einer weitaußen links-Partei, wie es auch die Grünen in den 90ern hatten. Ich haeb so meine Meinung dazu, wieviel davon übrig belibt sobald weitaußen-Linke (mit) an der Macht sind.

FDP
  • "Wir Freie Demokraten bekennen uns uneingeschränkt zur NATO, denn die NATO ist ein konkurrenzlos erfolgreiches Sicherheitsbündnis und soll auch in Zukunft als Garant für unsere Sicherheit stehen."
  • "Stärkung des Abschreckungs- und Verteidigungspositivs der NATO, einhergehend mit gleichzeitigem Dialog mit Russland"
  • "weitere Anhebung des Verteidigungsetats bis 2024"
  • "Im Lichte der angestrebten verstärkten Schaffung gemeinsamer EU- und NATO- Einsatzkräfte wollen wir den Parlamentsvorbehalt des Deutschen Bundestags unter voller Berücksichtigung der Maßgaben des Bundesverfassungsgerichts so weiterentwickeln, dass gemeinsame  Einsätze multinationaler Verbände von EU und NATO verfassungsfest  erleichtert werden."
  • "(...) muss die Bundeswehr besser ausgestattet werden. Die  Prozesse  zur  Beschaffung  neuer  Ausrüstungsgegenstände gehören grundsätzlich auf den Prüfstand."
  • "Wir Freie Demokraten wollen keine Waffenlieferungen in Krisengebiete."

Kommentar:
Das Programm ist in Bezug auf Sicherheitspolitik unerwartet knapp und offensichtlich auf eine weite Kompatibilität mit CDU und SPD ausgelegt.


SPD

  •  "Sozialdemokratische  Außenpolitik ist dem Frieden verpflichtet. Wir setzen auf Dialog statt auf Konfrontation, auf fairen Interessenausgleich und Verhandlungslösungen."
  • Betonung von Kooperation in der Friedenspolitik
  • "Zielvorstellung einer friedlichen, gerechten  und regelbasierten internationalen Ordnung" 
  • "Zivile  Krisenprävention, Mediation,  Konfliktnachsorge und Stabilisierung müssen daher dauerhaft gestärkt  werden."
  • "Wir setzen uns für die Stärkung des Völkerrechts und  des Internationalen Strafgerichtshofs ein, um die Straflosigkeit bei Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beenden."
  • "Wir setzen uns entschlossen für die weltweite vertragsgestützte Abrüstung von Atomwaffen,  chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen sowie konventioneller Rüstung ein.  Den drohenden Zerfall der bestehenden Regime für Rüstungskontrolle und Abrüstung wollen  wir verhindern. Eine Welt ohne Atom- und Massenvernichtungswaffen bleibt unser Ziel."
  • pro NATO
  • "grundsätzliches Verbot des Kleinwaffenexportes in Drittstaaten außerhalb von EU, Nato und vergleichbaren Ländern"
  • "Wir fordern eine völkerrechtliche Ächtung von autonomen Waffensystemen."
  • "Völkerrechtswidrige Tötungen durch unbemannte militärische Systeme lehnen wir kategorisch ab ." 
  • rechtfertigt Auslandseinsätze der Bundeswehr
  • "Wir bekennen uns zu modernen und leistungsfähigen Streitkräften, die über angemessene Fähigkeiten zur Landes- und Bündnisverteidigung sowie zur internationalen Krisenbewältigung verfügen müssen."
  • gegen hohe Steigerungen der Militärausgaben, insbesondere gegen 2% GDP Militärausgaben
  • pro UN
  • pro Europarat
  • pro OSZE
  • bezüglich Russland: "Dafür bedarf es der Deeskalation, der Rückkehr zum politischen Dialog und der differenzierten Anwendung von Sanktionsmechanismen."
Kommentar:
Die SPD tut weitgehend so, als ob sie nicht jahrelang die Regierungspolitik mitverantwortet hätte. Ihre Position ist trotzdem nur geringfügig "links" von der bisherigen Regierungslinie. Im Übrigen halte ich die SPD nicht für eine sozialdemokratische Partei, sondern für eine neoliberale Partei nach Art Blair/Schröder, da der linke Flügel schon vor Jahren zu Die Linke desertiert ist. Daher tut sich die SPD auch so schwer, sich glaubwürdig links von der CDU abzugrenzen.

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Ich habe versucht, die verteidigungspolitischen Essenzen den Wahlprogrammen zu entnehmen. Andere Versuche dieser Art würden vermutlich abweichen. Wer sich ein vollkommen eigenes Bild machen möchte der kann sich die Programme selbst anschauen; die Links dazu habe ich ja auch zusammengestellt.

Sven Ortmann
zur Einordnung: Ich betrachte mich als moderat pazifistischer Sozialliberaler.

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